Normierte Zahlen 2023 zu häuslicher Gewalt

Häusliche Gewalt in der Schweiz
Die normierten Zahlen verschiedener Bevölkerungsgruppen von 2009 bis 2023 aus einem anderen Blickwinkel

Der von KidsToo erstellte Bericht ist hier abrufbar.

Das Wichtigste in Kürze

Was die Opfer häuslicher Gewalt in der Schweiz betrifft, so ist es besser, ein volljähriger Mann als eine Frau zu sein. Ein Mann mit Schweizer Staatsbürgerschaft hat ein geringeres Risiko, Opfer zu werden, als ein volljähriger Nicht-CH-Mann. Frauen mit Schweizer Staatsbürgerschaft haben ein höheres Risiko als Männer mit Nicht-CH-Staatsbürgerschaft, während Frauen mit Nicht-CH-Staatsbürgerschaft das höchste Risiko tragen.

Man berechnet den relativen Anteil (RA) der geschädigten oder beschuldigten Personen im Verhältnis zur entsprechenden Wohnbevölkerung.

Die geschädigten Männer, egal ob Schweizer oder ansässige Ausländer (CH oder nicht CH-ansässig), weisen einen RA von unter 100% auf (ausser bei den 35-39-Jährigen mit 104% im Jahr 2022). Der RA der Schweizer liegt bei rund 45%, jener der Ausländer ist im Anstieg und liegt 2020, 2022 und 2023 über 100%. Seit 2011 liegen die RA für schwere häusliche Gewalt für Schweizer zwischen 25 und 30%, bzw. zwischen 30 und 40% (39% im Jahr 2023), mit leicht steigender Tendenz bei Ausländern.
Die geschädigten Frauen, egal ob Schweizerinnen oder ansässige Ausländerinnen, weisen einen RA von über oder nahezu 100% auf. Der RA der Schweizerinnen liegt bei rund 100% (94% im Jahr 2023), jener der Ausländerinnen ist seit 2009 von 354% auf 271% im Jahr 2023 gesunken. Bei schwerer häuslicher Gewalt liegen die RA bei Schweizerinnen bei 120 bis 134%, (im Jahr 2023) bzw. bei Ausländerinnen bei 350 bis 300% mit einem leichten Rückgang (270% im Jahr 2023).
Im Jahr 2023 sind Schweizer Frauen in Prozentzahlen fünfmal häufiger geschädigt (schwere häusliche Gewalt) als Schweizer Männer. In Prozentzahlen sind Ausländerinnen siebenmal häufiger geschädigt als Ausländer und sogar zehnmal häufiger als Schweizer Männer.

In Bezug auf junge Opfer unter 18 Jahrenschwankt der RA der weiblichen minderjährigen Opfer unter Berücksichtigung der Berner Statistiken über die Anwesenheit von Kindern bei Einsätzen der Kantonspolizei [1], seit 2010 zwischen 350 und 370% (361% im Jahr 2023). Bei den minderjährigen männlichen Opfern schwankt der RA zwischen 280 und 300% (287% im Jahr 2023).
Ungeachtet des Inkrafttretens der Istanbul-Konvention[2] und gestützt auf den Ansatz des Bundesgerichts, dass die Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen nach einhelliger Auffassung wesentlich ist und eine entscheidende Rolle bei der Identitätsfindung des Kindes spielen kann, privilegiert der zivilrechtliche Ansatz die Aufrechterhaltung der persönlichen Beziehungen zwischen dem gewalttätigen Elternteil und dem Kind.
Diese Zahlen zeigen, dass das Risiko künftiger häuslicher Gewalt und deren Nachahmung durch die Kinder sehr hoch ist, wenn sie gezwungen sind, mit der Tatperson in Kontakt zu bleiben.

Die männlichen Beschuldigten, ob Schweizer oder ansässige Ausländer (CH oder nicht CH-ansässig), haben im Allgemeinen einen RA von über 100%. Der RA der Schweizer, der zwischen 100 und 89% liegt, ist seit 2009 leicht rückläufig, jener der Ausländer ist von 2011 bis 2021 ebenfalls rückläufig, von 363 auf 293%, mit einem leichten Anstieg auf 302% im Jahr 2022. Bei schwerer Gewalt hält sich der RA der Schweizer bei 120 bis 130%, jener der Nicht-CH schwankt seit 2015 zwischen 330 und 370% (335% im Jahr 2023).
Die weiblichen Beschuldigten, ob Schweizerinnen oder ansässige Ausländerinnen, weisen immer einen RA von unter 100% auf. Der RA von Schweizerinnen ist seit 2009 gestiegen. Sie bleibt auf einem niedrigen Niveau und steigt von 24% auf 33% im Jahr 2023. Diejenige der Ausländerinnen steigt ebenfalls an, von 91% auf 112% im selben Zeitraum. Bei schwerer Gewalt liegt der RA der Schweizerinnen zwischen 10 und 15%. Derjenige der Nicht-CH schwankt stärker, zwischen 20 und 35%. Im Jahr 2023 liegt sie bei 33%.


[1] Im Auftrag der Berner Fachstelle gegen häusliche Gewalt (BFHG) und der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern (POM); Theres Egger, Désirée Stocker (Interventionsstelle BASS), Marianne Schär Moser (Forschung und Beratung) “Evaluation Pilotprojekt Kindesschutz bei häuslicher Gewalt im Kanton Bern”, Mai 2013.

[2] Gaëlle Droz-Sauthier, Ersilia Gianella-Frieden, Paula Krüger, Susanne Lorenz Cottagnoud, Amel Mahfoudh, Tanja Mitrovic ” Mesures de protection de l’enfant en cas de violence dans le couple parental : de la Convention d’Istanbul au droit suisse. Analyse et propositions. FamPra.ch 2024, S. 570-598.